Meditation gegen chronisches Aufschieben

Meditation gegen chronisches Aufschieben

Achtsamkeit und Meditation werden inzwischen als Techniken zur Bewusstseinsschulung in der Medizin und Psychologie zunehmend anerkannt. Auch für das Selbstmanagement ist Meditation ein wichtiges Thema. Menschen mit regelmäßiger Meditationspraxis können sich nicht nur besser konzentrieren, sie  neigen weniger zu chronischem Aufschieben.

Meditation wird langsam stärker als Bewusstseinstechnik wahrgenommen, wenn auch die Vorbehalte gegenüber Meditation nach wie vor groß sind. Häufig hat Meditation nach wie vor einen esoterischen Beigeschmack. Das hat sicher mit dem kulturellen Hintergrund von Meditation und Achtsamkeit zu tun und auch mit der Rezeption von Meditation im Westen. Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass meditative Praktiken in einem religiösen oder spirituellen Umfeld entstanden sind, sei es mit buddhistischer oder christlicher Ausprägung. Meditation dient im Ursprung einem spirituellen Ziel, wie etwa dem Erwachen im Buddhismus und ist unter diesem Vorzeichen im Westen rezipiert worden. Nach einer Frühphase des Buddhismus in Deutschland, die vor allem durch eine intellektuelle Rezeption geprägt war, übernahmen im 20. Jahrhundert vor allem Menschen aus einem alternativen oder gegenkulturellen Umfeld Meditationspraktiken (Eine kleine Geschichte des Buddhismus im deutschen Sprachraum im Überflug). Von den 60ern bis in die 1980er Jahre hatte Meditation vor allem eine große Anziehungskraft auf Menschen, die sich als spirituell Suchende verstanden oder mit alternativen Lebensformen experimentierten.

Meditation als Bewusstseinstechnik

 Meditation lässt sich aber auch als eine Bewusstseinstechnik verstehen, die das Ziel hat, den Geist und die Aufmerksamkeit zu trainieren. Eine solche Auffassung negiert nicht eine spirituelle Dimension von Meditation, aber ergänzt sie um ein psychologisches Verständnis. Das lässt sich auch aus der buddhistischen Tradition ableiten. Der Begriff für Meditation in der frühen Buddhistischen Tradition lautet “bhavana”, was sich mit “Entwicklung” oder “Kultivieren” übersetzen lässt. Meditationsübungen in Achtsamkeit oder Geistesgegenwart zielen darauf, den Geist zu entwickeln, ihn konzentrierter und gesammelter werden zu lassen. Und diese Effekte von Meditation lassen sich inzwischen auch sehr gut naturwissenschaftlich nachvollziehen. Menschen mit regelmäßiger Meditationspraxis können sich besser konzentrieren und neigen auch weniger dazu, Dinge aufzuschieben. Nach vielen jüngeren Studien lässt bei Menschen mit einer regelmäßigen Meditationspraxis das gedankliche Wandern nach und die Konzentration nimmt zu (Klaus Wilhelm 2015: Mehr Konzentration durch Meditation, DasGehirn.info).  Auch bei Prokrastination ist Meditation ein gutes Gegenmittel, mit dem sich ständige Ablenkungen und Aufschieben in den Griff bekommen lassen, da Meditation ein Training der Selbstkontrolle ist einem wichtigen Faktor für chronisches Aufschieben (Thimophy Pychyl: Procrastination: Why mindfulness is crucial).

Im Grund genommen ist Meditation zunächst einmal nichts anderes als eine Training des Geistes. In der Meditation üben Sie sich darin, länger und ausdauernder bei einer Sache zu bleiben und dadurch trainiere Sie Konzentration und die Kontrolle über Ablenkungen. Die Grundidee von Meditation ist relativ einfach. Die Aufmerksamkeit wird bewusst auf ein gewähltes Objekt gelenkt, klassischerweise auf den Atem oder auf Körperempfindungen. Wenn die Aufmerksamkeit wegdriftet, wird sie wieder auf das Meditationsobjekt zurückgeführt und dadurch trainieren Sie, ihren Geist zu regulieren.

Das klingt natürlich sehr simpel, ist aber in der Praxis eine echte Herausforderung! Nirgendwo gibt es wahrscheinlich eine größere Diskrepanz zwischen einer einfachen Anweisung und den Schwierigkeiten sie auzuführen. Der Geist ist es eben gewöhnt zu Assoziieren, zu denken, verschiedenen gedanklichen Objekten nachzulaufen und ständig Geschichten zu spinnen. Diese Tendenz wird in der Meditation sehr bewusst, gerade am Anfang verliert man sich immer wieder in Gedankengebäuden und muss die Aufmerksamkeit ständig auf die Atemempfindungen zurück lenken. Der entscheidende Punkt bei Meditation liegt darin, das eben zu tun, nicht aufzugeben und die Aufmerksamkeit geduldig immer wieder zum Objekt der Aufmerksamkeit zurück zu führen.

Meditation und Prokrastination

Wenn Sie das eine Weile lang üben, werden Sie besser darin. Meiner Erfahrung nach braucht es ein paar Wochen regelmäßiger Übung, damit der Geist stabiler wird und länger bei dem Meditationsobjekt bleibt. Das heißt nicht, dass Sie jeden Tag eine halbe Stunde meditieren müssen. Ich habe mit 10 Minuten an drei Tagen begonnen und habe nach zwei, drei Monaten schon einen deutlichen Unterschied wahrgenommen. Inzwischen meditiere ich eine halbe Stunde täglich, wenn ich unterwegs bin uns viel los ist, setze ich mich eben nur für eine kurze Zeit.

Wichtig für eine Sitzung ist, dass Sie dabei bleiben und die Meditation nicht unterbrechen, auch wenn es zunächst schwer fällt. In einer Meditation kommen gedankliche Schleifen immer wieder, manchmal ist es frustrierend und häufig werden Sie denken, dass man Sie Zeit verschwenden – und diesen Gedanken nimmt man am besten einfach wahr und führt die Aufmerksamkeit wieder ganz geruhsam zum Atem zurück. Denn dadurch trainieren Sie eben eine sehr wichtig Fähigkeit, die Ihnen gegen Prokrastination hilft: Impulskontrolle. Anstatt jeden Impuls nachzugehen, der gerade so in Ihrem Geist ist, lernen Sie in der Meditation, Impulses auszuhalten und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Das ist ein wichtiger Mechanismus, um Prokrastination zu überwinden. Chronisches Aufschieben von Aufgaben hängt häufig mit einer geringen Selbstkontrolle zusammen, anstatt einen negativen Impuls auszuhalten, tendieren Prokrastinierer dazu, sich eine andere, angenehmere Aufgabe zu suchen. Ein menschliches und evolutionär wahrscheinlich sogar sinnvolles Verhalten. Ohne Impulsivität hätten wir nicht überleben können. In der Zeit, in der Homo Sapiens den Planeten bevölkert, mussten war Impulsivität lebenswichtig: Bei der Suche nach der richtigen Nahrung, Fortpflanzung, Verteidigung mussten vor tausenden Jahren impulsiv gehandelt werden. Heute ist es dagegen vom Nachteil, da wir in einer gänzlich anderen Lebenswelt sind, als in der Savanne Ostafrikas.

Mit Meditation lernen Sie, Ihre Impulse und impulsiven Handlungen besser zu kontrollieren. Genauso, wie ihr Geist sich im Kopfrechnen, Merkfähigkeit oder Sprachen trainieren lässt, ist Meditation ein Training ihrer Fähigkeit sich zu konzentrieren und Impulse zu kontrollieren. Allein schon aus diesem Grund lohnt es sich zu meditieren. Für mein Problem mit Prokrastination war Meditation auf jeden Fall der Schlüssel zur Veränderung. Gerade am Ende meiner Dissertation und bei der Veröffentlichung war Meditieren mit das Wichtigste, um an dem Projekt zu bleiben und die letzten Schritte zu gehen.