Die vier wichtigsten Ursachen für Prokrastination

Anstatt die wichtigen Aufgaben zu erledigen, verrinnt der Tag wieder mal mit Klein-Klein. In krassen Fällen werden die wichtigen Vorhaben immer weiter aufgeschoben. Weshalb genau schieben Menschen Aufgaben vor sich her? Und wie kommt es zu diesem Verhalten? Es gibt mehrere Ursachen für Prokrastination und es ist hilfreich sie zu kennen, um gezielter gegen Aufschieben vorzugehen.
Die Studie von Neal Thakkar aus dem Jahr 2009: Why Procrastinate: An Investigation of the Root Causes behind Procrastination ist eine gute Zusammenfassung aktueller Forschung. Thakkar zitiert in seinem Artikel ausführlicher eine Metastudie von Piers Steel aus dem Jahr 2007 (The Nature of Procrastination: A Meta-Analytic and Theoretical Review of Quintessential Self-Regulatory Failure), in der aktuelle Studien zu Prokrastination empirisch ausgewertet werden.
In der Psychologie ist das Phänomen inzwischen ganz gut erforscht. Eine Studie von Neal Thakkar aus dem Jahr 2009: Why Procrastinate: An Investigation of the Root Causes behind Procrastination ist eine gute Zusammenfassung aktueller Forschung. Thakkar zitiert in seinem Artikel ausführlicher eine Metastudie von Piers Steel aus dem Jahr 2007 (The Nature of Procrastination: A Meta-Analytic and Theoretical Review of Quintessential Self-Regulatory Failure), in der aktuelle Studien zu Prokrastination empirisch ausgewertet werden.
Die Ergebnisse dieser Studien sind in den letzten Jahren in einer etwas popularisierten Fassung in dem Buch The Procrastination Equation veröffentlicht worden. Dieses Buch ist sehr lesenswert; Sie erfahren zum einen mehr darüber, warum es zu Aufschiebeverhalten kommt. Im zweiten Teil des Buchs gibt es auch fundierte Strategien, die gegen Prokrastination helfen. Doch zunächst einmal zu den vier Ursachen für Prokrastination.
1. Mangel an Selbstkontrolle
Willenskraft oder Selbstkontrolle sind ein offensichtlicher Faktor für Prokrastination. Wenn Sie über mehr Willenskraft verfügen, dann sind Sie besser in der Lage, an Aufgaben und Projekten dranzubleiben, auch wenn sie wenig Spaß machen s.u. Sie kennen das vielleicht selbst ganz gut, gerade langfristige Vorhaben brauchen ein großes Maß an Willenskraft und Selbstkontrolle. Wenn Sie eine Ausbildung oder ein Studium erfolgreich abschließen möchten, müssen Sie verschiedene Impulse unterdrücken oder sublimieren. Anstatt zu lernen ist es vielleicht viel schöner, Netflix zu schauen oder ein Bier trinken zu gehen.
Der Job von Willenskraft oder Selbstkontrolle besteht zu einem großen Teil darin, hinderliche Impulse zu unterdrücken oder zu sublimieren. Den Prokrastination bedeutet meistens, dass Sie einen Impuls nachgeben und etwas anfangen, was Ihnen unmittelbar Befriedigung verschafft. Prokrastination kann einmal platte Ablenkung sein, im Beruf gibt es noch eine subtilere Art von Prokrastination, die ich gerne Pseudo-Produktivität nennen. Anstatt die wichtige Aufgabe zu erledigen, gehen Sie dem Impuls nach und beschäftigen sich stattdessen mit einer Aufgabe, die mehr Spaß macht. Lieber an einem interessanten Projekt arbeiten, als sich mit der blöden Dokumentation zu beschäftigen. Oder lieber mit den Kunden sprechen, als sich mit der langfristigen Strategie herumzuschlagen.
Natürlich sind interessante Projekte und die Kunden wichtig. All diesen Arten der Prokrastination ist gemeinsam, dass Sie eine einfachere und befriedigende Aufgabe vorziehen, anstatt die schwerere Aufgabe zu erledigen. Und das hat wiederum mit Selbstkontrolle zu tun. Mehr Selbstkontrolle hilft dabei, weniger impulsiv zu sein und damit auch weniger anfällig für schnelle Belohnungen und Vermeidungsstrategien.
2. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit (self-efficiency)
Der zweite Faktor für Prokrastination ist das Gefühl von Selbstwirksamkeit, genauer gesagt, ein Mangel an Selbstwirksamkeit kann zu Prokrastination führen. Wenn Sie dagegen das Gefühl haben, Ihre Aufgaben auch erfolgreich abschließen zu können, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit für das Aufschieben. Mein Beispiel dafür sind Prüfungen in der Schule. Erfolg ist ein sehr großer Motivator. Wenn Sie ein bestimmtes Fach sehr gut konnten, werden Sie vermutlich keine Probleme mit dem Aufschieben gehabt haben. Wenn Sie aber in dem Fach schlecht waren, sinkt in der Regel die Motivation und damit steigt die Bereitschaft zum Aufschieben.
Warum soll ich mich in etwas hineinknien, wenn ich sowieso keine Chance habe erfolgreich zu sein? Auch im Beruf spielt die Selbstwirksamkeit eine große Rolle. Wenn Sie Dinge bewegen können, wenn es auf Sie ankommt, dann steigt die Motivation enorm. Wenn Sie dagegen vor extrem schweren Herausforderungen stehen oder in einem Berufsfeld arbeiten, bei dem Ihre Arbeit nichts bedeutet, ist die Motivation eher schwach. Prokrastination ist auch bei den Tätigkeiten ausgeprägt, bei der Sie wenig Erfolge spüren und damit steigt das Risiko für Prokrastination. Viele Verkaufsteams arbeiten deshalb mit Motivationshilfen oder Gruppenbelohnungen, da der Verkauf manchmal ein zähes Geschäft sein kann und die Mitarbeiter wenig Erfolgserlebnisse haben.
3. Aversion gegenüber der Aufgabe (task-aversiveness)
Eine Abneigung gegenüber der Aufgabe steigert das Risiko für Prokrastination. Das kann mit einer niedrigen Erfolgswahrscheinlichkeit, mit Punkt 2 zusammenhängen. Aversionen gibt es aber auch aus verschiedenen Gründen. Einer davon liegt in der Persönlichkeit. Vielen Menschen liegen bestimmte Aufgaben und andere nicht. Die “Zahlen-Typen” in einem Unternehmen können manchmal wenig mit dem “Marketing-Geschwätz” anfangen und haben manchmal eine Abneigung gegenüber dem Thema Marketing. Dasselbe gilt auch andersherum. Ein Verkäufer schätzt eher die Interaktion, den Austausch, auch den Triumph bei einem erzielten Abschluss. Controlling ist dagegen dann vielleicht eher pedantische “Zahlenhuberei”.
Eine Abneigung kann auch gegen Aufgaben entstehen, die wenig Sinn haben oder besonders monoton und langweilig sind. Sie erinnern sich bestimmt an einen langweiligen Ferienjob, bei dem Sie immer wieder dieselben Äpfel in Kisten packen mussten oder Akten per Hand geschreddert haben? Bei langweilige oder sinnlosen Ferienjobs ist Geld meistens die einzige Motivation. Monotone und sinnlose Tätigkeiten gibt es zu Häufe, meine persönliche Highlights sind Steuererklärungen, Buchhaltung und die Details der Datenschutzgrundverordnung. Diese Tätigkeiten, die für Sie wenig Sinn haben, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit aufgeschoben als die Tätigkeiten, deren Sinnhaftigkeit Ihnen klar ist.
4. Ein langer zeitlicher Horizont
Auch dieser Faktor ist keine Überraschung. Je weiter eine Aufgabe in der Zukunft liegt, desto wahrscheinlicher wird sie aufgeschoben. Vor allem tritt dieses Phänomen auf, wenn es keine klaren Fristen für die Erledigung von Aufgaben gibt. Wenn Tätigkeiten unbewusst im Unbestimmten angesiedelt sind oder einfach sehr weit in der Zukunft liegen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit für das Aufschieben. In diese Kategorie fallen häufig Lebensträume, all die Sachen, die man unbedingt mal machen möchte. Oder auch langwierige Vorhaben, wie eine langjährige Ausbildung, ein Studium können einfach so weit in der Zukunft liegen, dass Sie immer weiter aufgeschoben werden.
Deadlines haben dagegen auch eine belebende Seite. Sei motivieren, spornen an und helfen dabei, Dinge wirklich zu erledigen. Die letzte Woche vor dem Urlaub sind Sie häufig extrem produktiv. Das liegt daran, dass es eine natürliche Deadline gibt, die Sie motiviert. Diese Ursache von Prokrastination lässt sich häufig mit einer besseren Planung bekämpfen. Anstatt an einem großen Projekt zu arbeiten, steigt die Motivation, wenn Sie sich erreichbare Zwischenziele setzen. Klassiker des Selbstmanagements wie Zeitplanung oder Aufgabenlisten helfen dabei, kleinschrittiger vorzugehen und damit auch langfristige Vorhaben umzusetzen.
Ursachen von Prokrastination gezielt angehen
Die Ergebnisse dieser Auswertung sind ziemlich interessant und werfen auch einige gängige Überzeugungen zur Prokrastination um. Beide Aufsätze beschreiben die wichtigsten Korrelationen zu Prokrastinationsverhalten (Behauptungen zu kausalen Ursachen für Prokrastination stellen die Studien nicht auf). Bei der Auswertung von Häufungen scheint es aber vier wichtige Faktoren zu geben, die starke Auswirkungen auf Prokrastination haben.
Interessanterweise spielt Perfektionismus bei Prokrastination eine untergeordnete Rolle, dasselbe trifft auf andere Persönlichkeitszüge zu, wie starkes Interesse für Neues, rebellisches Verhalten und Depressionen. Aus diesen Studien lassen sich meiner Ansicht nach einige Punkte für besseres Selbstmanagement ableiten. Zum einen sind klassische Techniken des Selbstmanagements eine Erste Hilfe bei Prokrastination. Die Verkürzung von Zeithorizonten, eine konkrete Planung und Umsetzung wirken sich auf verschiedene Ursachen auf. Sie können lange Zeithorizonte verkürzen (Ursache 4) oder eben auch Auswirkungen auf die Selbstwirksamkeit (3) haben.
Mit Aversion und Selbstkontrolle gibt es aber auch Ursachen, die stärker psychologischer Natur sind. Bei Aversion ist es häufig sinnvoll, die konkreten Ursachen zu erforschen. Was löst die Abneigung aus? Ist das ein zentraler Punkt oder geht es nur um persönliche Vorlieben? Vielleicht löst ein Vorhaben eine so große Abneigung aus, dass es nicht sinnvoll ist, es weiterzuverfolgen? Oder es geht eher darum, die Motivation zu steigern. Das ist bei schwächeren Formen der Abneigung eine sinnvolle Strategie. Bei Prokrastination ist es auf jeden Fall hilfreich, die konkreten Ursachen zu verstehen, um Aufschiebeverhalten besser in den Griff zu bekommen.