E-Learning an deutschen Hochschulen

E-Learning an deutschen Hochschulen

E-Learning, war da nicht was? Vor fast 10 Jahren wurde mit den ersten frei zugänglichen Onlinekursen ein neues Zeitalter des Lernens ausgerufen. MOOCs galten als neue, demokratische Bildungsrevolution. Was ist von diesem Aufbruch geblieben und wie der Stand des E-Learnings an deutschen Hochschulen?

MOOCs steht für Massive Open Online Courses und bezeichnet ein E-Learning Format, bei dem Lernen für eine große Gruppe geöffnet wird. Generell stehen MOOCs allen Interessierten offen, die Kurse haben als freie E-Learning Angebote dadurch in der Regel eine große Teilnehmerzahl. MOOCs mit mehreren Tausend Teilnehmern sind keine Seltenheit. MOOCs wurden ab 2010/2011 zunehmend kommerzialisiert und es gibt mit Coursera und EdX zwei große Anbieter für offene Onlinekurse.

Diese beiden großen Anbieter arbeiten mit meist englischsprachigen Universitäten zusammen. Sie können auf den Plattformen entweder drei- bis viermonatige Kurse belegen oder länger studieren. Die Themen reichen von Gesundheitsökonomie, über Geschichte, bis hin zu Datenanalyse und Wirtschaft. Sie können sogar einen ganzen MBA absolvieren! Ein Hinweis zu den offenen Angeboten. Ganz kostenlos ist es natürlich nicht, Sie können zwar einen Kurs kostenlos absolvieren, müssen aber für ein Zertifikat etwas bezahlen. In den USA sind MOOCs recht verbreitet und das digitale Lernen hat sich in den letzten Jahren professionalisiert. Wie sieht es aber mit E-Learning an deutschen Hochschulen aus?

Eine Revolution in Zeitlupe

E-Learning ist inzwischen auch an deutschen Hochschulen angekommen. Dabei werden verschiedene Konzepte und Methoden erprobt. Generell scheint die Adaption und Umsetzung manchmal etwas schleppend zu gehen. Das liegt an verschiedenen Gründen. Neue Formen der Digitalisierung stoßen beispielsweise auf personelle und institutionelle Widerstände. Ein weiterer Grund ist die mangelhafte Finanzierung deutscher Hochschulen. Digitalisierung wird zwar von fast allen Hochschulen als zentral angesehen wird, es fehlt es aber häufig an den nötigen Mitteln für die Umsetzung. Einen letzten Grund kenne ich aus eigene Anschauung. Durch die Freiheit der Forschung und Lehre liegt die Verantwortung für E-Learning häufig bei einzelnen Professoren. Dadurch fällt es manchen Hochschulen schwer, ein stringentes Konzept umzusetzen.

Drei Phasen der Umsetzung

Wie sieht die Umsetzung heute aus? Digitalisierung bietet nicht nur neue Formen und Formate, sondern hat auch das Potenzial, Organisationen oder Strukturen zu verändern. Bei MOOCs lässt sich das gut erkennen. Universitäten werden durch die Onlinekurse stärker zu Bildungsdienstleistern. Die universitäre Bildung wird einfacher zugänglich und akademische Bildung lässt sich einfacher in verschiedene Lebensabschnitte integrieren.

Allgemein lassen sich für Deutschland drei Phasen der Umsetzung unterscheiden. Es gibt die Hochschulen, bei denen E-Learning Projektweise umgesetzt wird. In diesen Hochschulen gibt es E-Learning Angebote, diese sind aber nicht konzeptionell mit der Hochschule verbunden. Dann gibt es eine stärker konzeptionelle Umsetzung von E-Learning und als letztes gibt es auch offene Lernangebote deutscher Hochschulen.

1. Projektweise Umsetzung von E-Learning

In dieser Phase befinden sich viele Hochschulen. Das betrifft häufig traditionelle Universitäten und Fachhochschulen, die bereits länger am Markt sind. E-Learning wird nicht systematisch umgesetzt, sondern eher punktuell. Beispielsweise wird die Methode Inverted Classroom nur von knapp 40% der Hochschulen und Fachhochschulen intensiver genutzt.

Quelle: https://scilogs.spektrum.de/wissenschaftssystem/wie-weit-sind-die-deutschen-hochschulen-digitalisiert/

In anderen Bereichen sieht es ähnlich aus. Digitalisierung wird generell als wichtig erkannt, die Umsetzung findet aufgrund fehlender Mittel oder Strukturen nur unsystematisch statt.

2. Konzeptionelle Umsetzung von E-Learning

Anders sieht es bei Hochschulen aus, die Digitalisierung als wesentliches Geschäft und als Kernkompetenz betrachten. In diesen Hochschulen wird E-Learning konzeptionell und systematisch umgesetzt. Ich möchte hier drei Fälle herausgreifen. Die Code-University, die IST-Hochschule und die IUBH. Die Code-University wurde mit dem Gedanken gegründet, das Informatikstudium praxisnäher und realistischer zu gestalten. Sitz der Hochschule ist Berlin und sie bietet Studiengänge rund um das Thema Softwareentwicklung an. E-Learning ist in der Lehre systematisch umgesetzt. Der Campus bietet neben den klassischen Formaten viele E-Learning Möglichkeiten.

Einen Schritt weiter gehen die IST Hocshchule und die IUBH. Beide bieten Studiengänge sowohl in einem Blenden-Learning Format, als auch im reinen Fernstudium an. Es gibt ein ausgereiftes und systematisches E-Learning-Konzept. Die IST Hochschule setzt etwa in allen Kursen auf das Inverted Learning und bietet Studiengänge im Präsenz und im Selbststudium an.

Screenshot IST-App. E-Learning ist in der IST-Hochschule auch per Smartphone zugängliche. Quelle: Screenshot / Michael Lindner

3. Offene digitale Lernangebote

Die letzte Gruppe sind Hochschulen, die Ihre Bildung für eine größere Teilnehmergruppe öffnen. Während die zweite Gruppe ein systematisches E-Learning für Ihre Studierende anbietet, sind richtig offene Angebote in Deutschland selten. Zwei Anbieter haben sich hier in den letzten Jahren etabliert. Das ist zum einen der OnCampus und die Leuphana Digital School. Beide Hochschulen bieten Angebote frei an, das heißt, nicht nur Studierende können die Angebote nutzen, sondern generell jeder. Auch diese Kurse sind teilweise kostenpflichtig, vor allem im Wirtschaftsbereich.

Der Oncampus bietet E-Learning für Studierende und BErufstätige. Quelle: Michael Lindner Screenshot.

Ganz offen, wie in den USA sind die Angebote nicht. Generell müssen für die Studiengänge die üblichen Hochschulberechtigungen nachgewiesen werden. Aber beide Anbieter nutzen die Digitalisierung dafür, Angebote zu öffnen. Beide Hochschulen richten sich auch an Berufstätige, die bestimmte Fähigkeiten erwerben wollen oder ein Aufbaustudium suchen. Damit öffnet sich die Hochschule für neue Zielgruppen und nutzt Digitalisierung für eine offenere Organisation.

Von der Nische zum Bildungsbaustein

E-Learning hat sich an Hochschulen vom Nischenthema zu einem etablierten Format entwickelt. Auch wenn die Umsetzung etwas schleppend vor sich geht, zeigt sich doch bereits das Potenzial digitaler Bildung. Wissen muss nicht mehr am Block an der Hochschule vermittelt werden, sondern wird Bestandteil einer Lernbiografie. Eine faszinierende Geschichte kommt aus den USA. Laurie Pickard, eine Geografin, die für verschiedene NGOS arbeitete, hat einen MBA Abschluss mit digitalen Studienangeboten absolviert. Sie schildert ihre Bildungsbiografie auf Ihrer Webseite NoPayMBA. Ein digitaler MBA war nicht nur deutlich billiger, sondern auch sehr viel flexibler. Diese Flexibilität brauchte sie, da sie inzwischen eine Familie hat und beruflich gefordert war. Inzwischen ist Laurie Pickard Bildungsberaterin und unterstützt andere dabei, digital zu studieren. Das digitale Lernen hat also noch einen anderen Weg eröffnet – sie ist jetzt Edupreneurin.